Gekürzte Gewerbemieten in Corona-Lockdowns

 

Gekürzte Gewerbemieten in Corona-Lockdowns  

Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs über die Gewerberaummiete während eines Corona-Lockdowns schränkt die Ansprüche von Vermietern ein und erleichtert es Mietern, Zahlungen für Zeiten staatlicher Geschäftsschließungen aus der Vergangenheit zurück zu fordern. Dies zusammen mit weiteren, bislang aber kaum bekannten Regelungen bietet Chancen für Mieter und führt zu Risiken für Vermieter. Da es laut dem Urteil auf den Einzelfall ankommt, sollten beide Seiten jetzt ihre Gesprächsbereitschaft signalisieren, bevor es zu neuen Lockdowns oder Nachforderungen kommt.

 

Drohende neue Lockdowns und ein Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vom 12.Januar (XII ZR 8/21) geben gleich zwei bisher nur wenig bekannten Regelungen neue Relevanz: Wer wegen behördlichen Corona-Anordnungen das Geschäft schließen musste, kann zum einen vom Vermieter Zahlungen in erheblichem Umfang zurückfordern. Zum anderen ist mit schnellen Gerichtsverfahren zu rechnen. Dies bestimmen bereits seit über einem Jahr zwei Bundesgesetze.

 

Der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe hatte zu entscheiden, ob ein Mieter für die Zeit der Geschäftsschließung für den April 2020 die Miete kürzen darf. Eine Einzelhandelskette hatte wegen eines Ladenlokals in Sachsen die Monatszahlung vollständig verweigert und war vor dem Landgericht Chemnitz damit gescheitert. Das Gericht verurteilte den Einzelhändler zur vollen Zahlung. Im Regelfall geht es aber nur um Kürzungen der Mietzahlungen, wie sie das Oberlandesgericht Dresden dann in der Berufung für den Fall erlaubt hat, und zwar auf die Hälfte der Kaltmiete. Daraufhin sind Mieter und Vermieter vor den BGH gezogen.

 

Nach dem Urteil des BGH sind Kürzungen von Gewerbemieten wegen staatlich verordneter Lockdowns grundsätzlich rechtmäßig. Das Gericht stellte aber auch fest: Es kommt sehr auf den Einzelfall an! Vor allem muss berücksichtigt werden, ob der Mieter für den strittigen Zeitraum Unterstützung durch staatliche Corona-Hilfen oder Versicherungen erhalten hat, die seinen Verlust mindern. So soll eine Überkompensation vermieden werden: Der Vermieter soll nicht für mehr Schaden aufkommen, als dem Mieter tatsächlich entstanden ist.

 

Das Urteil betrifft nicht nur Einzelhändler. Verordnungen und andere staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zwangen auch sehr viele Gastronomen, Hoteliers und andere Unternehmer, ihre Geschäfte zeitweise zu schließen. Die Mietverträge aber liefen weiter. Einige konnten zwar mit wohlwollenden Vermietern Nachlässe aushandeln, viele aber mussten seinerzeit die Miete in voller Höhe weiterzahlen.

 

Auch betrifft das Urteil nicht nur Fälle, die bereits vor Gericht ausgetragen werden, sondern ebenso drohende neue Corona-Lockdowns.
Im Dezember 2020 sprang der Deutsche Bundestag gewerblichen Mietern mit einem neuen Gesetz zur Seite. Der damals neugefasste Paragraph 7 des Artikels 240 im „Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche“, abgekürzt EGBGB, bestimmt seitdem: Betroffene dürfen bei erheblicher Einschränkung ihrer gewerblichen Tätigkeit aufgrund der Lockdowns die bereits gezahlten Mieten unter bestimmten Umstän¬den zurückfordern. Mit dieser Regelung gilt eine „gesetzlich vermutete Störung der Geschäftsgrundlage“ zwischen Mieter und Vermie¬ter. Angenommen wird, dass sich mit den Lockdowns die Grundlage des Mietvertrags schwerwiegend verändert hat. Das Gesetz hat dabei im Besonderen den Paragraph 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Auge, der die Geschäftsgrundlage von Mietverträgen zwischen Vermieter und Mieter legt. Danach soll nicht einer alleine das wirtschaftliche Risiko der pandemiebedingten Schließung von Betrieben tragen. Die Last soll gleichmäßig verteilt werden. Dies hat nun der BGH in seinem Urteil eindeutig und grundlegend bestätigt.

 

Bisher in der Öffentlichkeit unbeachtet blieb eine weitere Neuregelung, die im „Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung“, abgekürzt EGZPO steht und seit dem Januar 2021 ebenfalls in erheblichem Maße zu Gunsten der Mieter wirkt. Der Paragraph 44 bestimmt darin, dass Gerichte die Verfahren zur Regelung von Gewerberaum-Mieten beschleunigt und vorrangig behandeln müssen. Ein erster Gerichtstermin hat spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattzufinden. Damit können betroffene Mieter auf schnelle Rückzahlungen hoffen, während Vermieter sich auf Belastungen und unliebsame Überraschungen einstellen müssen.

 

Mit dem BGH-Urteil ist jetzt klar: Viele Gerichte werden fortan bei einer vollständigen Schließung aufgrund der Corona-Lockdowns von einer erheblichen Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit ausgehen und deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit teilweise Rückerstattungen anordnen.

 

Die vom BGH hervorgehobenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sollte sich Mieter und Vermieter anspornen, zügig und möglichst noch vor neuen Lockdowns gemeinsame Lösungen zu finden, um unnötige und teure Gerichtsverfahren abzuwenden und um das Vertrauensverhältnis zu festigen. Meist sind offene Gespräche der bessere Weg. Anwälte können Mietern und Vermietern helfen, einvernehmliche Lösungen zu finden.

 

Verfasser: Dr. Thorsten Purps

 

 

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